Kino ohne Talent
roman

Das Grauen der Tiefe: Kapitel XXX

09.09.2010 - 12:42 von Redaktion

Der Falke erwachte. Ein rasender Schmerz fuhr durch seinen Schädel, und er fasste sich an die rechte Seite seines Kopfes. Dort ertastete er einen Verband, der auch sein rechtes Auge bedeckte.
"Was … was ist mit meinem Auge?", fragte er er mit brüchiger Stimme.
"Jemand hat es dir wahrscheinlich ausgestochen", antwortete ein weibliche Stimme.
"Ja, ich erinnere mich wieder. Diese Hunde von der R.S.K. waren es. Ich bin geliefert. Was soll ich jetzt noch tun?", fragte der Falke deprimiert.
"Hey, siehet mal so: Jezze musst du dit andere Ooge beim Zielen nich mehr zukneifen, wennde durch dit Fernrohr kiekst", witzelte Thul, der neben ihm an der Werkbank stand.
"Hmm, stimmt, du hast Recht. Warte mal kurz."
Er richtete sich auf und sah mit dem verbliebenen Auge Thul an.
"Ich möchte mich bei dir für diesen großartigen Ratschlag bedanken."
Er holte aus und schlug Thul aufs Auge, so das es schnell anschwoll.
"Siehst du, jetzt brauchst du nur noch ein Glas pro Schutzbrille. Praktisch oder?"
"Ok, ick jeb zu, der Ratschlach war schon scheiße."
"Du bist doch so ein alter Bastel-Fred."
"Jopp, dit wird ab und zu von mir behauptet."
"Kannst du mir da nicht was cleveres basteln?"
"Joh, kann ick machen. Wat kannste mia dafür jeben? Ick bin ja schließlich nich die Heilsarmee."
"Wie wäre es mit Waffen?"
"Du würdest nem Gärtner ooch Blumen verkoofen oder? Ick koofe keene Waffen, ick baue sie."
"Na gut, ich hätte noch die taktischen Daten und Koordinaten eines vorgelagerten Waffenlagers der Schwarze Wölfe."
"Wo solln dit Lager sein? Nich, dass du mir mitten in deren Hauptquartier schickst, zutrauen würd icks dir."
"Vielen Dank, dein Vertrauen ehrt mich. Der Posten befindet sich in West-L-Berg."
"Klingt fair. Ok, wa sind im Jeschäft. Bis wann brauchtst'n dein neuet Spielzeuch?"
"Bis vorhin."
"Ok, ick kriegs bis übermorjen hin."
"Und was soll ich so lange machen?"
"Hmm, am bestn den Kopp unten halten und unwichtich aussehen. Der Feind könnte eventuell nur noch wenich Munition haben."
"Witzbold, kann ich hier warten, bis du fertig bist?"
"Nur wennde mir nich uff die Nerven jehst."
"Gut, ich besetze die Gatling-Gun und halte Wache", schloss der Falke und ging in Richtung der Glaskanzel.
"Sach mal, Keule, iss bei dir jrad die große Mildtätigkeit ausjebrochen, oda wat?", fragte Kette Thul plötzlich.
"Wie? Wat meenstn damit?"
„Naja, jezze haben wa zwee Mäuler mehr zu stopfen. Ick denk dabei an unsere Vorräte."
"Nu mach dir mal keen Kopp. Aknes war ja da, ab nachher haben wieda jenug Munni für alle."
"Ick steh aba nich uff Blaue-Bohnen-Eintopf."
"Ach, Easy wird uns da schon wat feinet aus'n Restn zusammn rühren."
"Wie kommt ihr auf die Idee, dass für euch koche? Soll ich nebenbei vielleicht auch noch die Werkstatt aufräumen und putzen?", beschwerte sich im Hintergrund Easy.
Thul dreht sich ruckartig um und hielt ein Stahlrohr in der Hand: "Wennde ooch nur eenen Metallspan in meener Werkstatt umdrehst, ohne mir vorher zu frajen, dann schlag ick dir den Schädel ein. Und zum Thema Kochen: Kannste eene 500mm PAK reparieren?"
"Ähh was ist eine Pack?"
"Also nee. Kannste kochen?"
"So ein bisschen … glaube ich schon."
"Noch Fragen?"
"Ja! Warum kocht Kette nicht?"
"Weilla de Munitionspresse bedient. Die ick dir ebenfalls nich anvatrauen will. Da jehts um Schiesspulva und so, hochexplosiv. Ick hab een weitaus jeringeret Problem damit, wenn uns die Wölfe oda dit R.S.K. de Werkstatt mit Panzan und Kanonen um de Ohren pustet, als wenn dit eener macht, den ick hier reinlasse. Also mithelfen oder rausjehen. Dit R.S.K. und die Wölfe werden dir sicherlich mit offene Arme empfangen und dir een jemütlichen und komfortables Leben bieten."
"Du meinst Küche oder Offizierspuff?"
"Jenau, du bist anscheinend doch eene vonna fixen Sorte. Dahinten ist de Kochnische, der Herd looft mit Biojass aus eijener Produktion. Und sei mit'm Wasser sparsam, sonst kommt da Uffbereita nich hintahea. Easy verschwand murrend in Richtung Küche und Thul widmete sich der Kanone, die in der Mitte der Werkstatt an einem Kran hing und darauf wartete, in die Lafette eingebaut zu werden. Er schnappte sich die Steuerung des Krans und begann damit, langsam aber sicher die Kanone in die dafür vorgesehen Halterung abzusenken. Langsamer und langsamer werdend, senkte er das schwere todbringende Metallrohr ab.
"Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiihhhhhhhhhhhheeeeeeeeeeeeee!"
Ein markerschütternder Schrei zerriss Thuls Konzentration und der Schildzapfen der Kanone kam mit einem unschönen und dumpfen Geräusch auf. Als Thul aufblickte sah er, wie sich Kette mit einem Sturmgewehr im Anschlag und mehreren Handgranaten an seiner Weste rasch und vorsichtig der Küche näherte.
"Wat ist los? Warum brüllst'n de wie am Spieß?", rief er in die Küche.
"Da ist eine Ratte im Kühlschrank", kam es zitternd zurück.
"Lebt se noch?" rief Kette.
"Nein, sie ist tot", rief Easy.
"Schimmelt se oder hat se Maden?", rief Thul.
"Nein, sie ist einfach nur tot."
Kette entspannte sich.
"Ey cool. Keule, wir ham ja doch noch ne Ratte im Kühlschrank", sagte Thul zu Kette.
Easy kam mit bleichem und angeekeltem Gesicht zu den beiden, die vor Freude strahlten.
"Was ist daran so toll, dass ihr eine tote Ratte im Kühlschrank habt? Das ist doch widerlich."
"Widalich vielleicht, aber dit bedeutet ooch, dit es heute Abend Fleesch jibt."
"Ich schmeiße sie weg", sagte Easy, "Die überträgt doch nur Krankheiten."
"Biste bescheuat? Ick hab mir zwee Nächte um die Ohren jeschlagen, um die zu erwischn", sagte Kette aufgebracht.
"Oh ja, und du hast dabei ooch fast noch den Uffbereiter mit deim Jewehr zerleecht."
"Aber man kann doch keine Ratten essen."
"Wieso? Siehste hier noch andre Tiere, die zum Vazehr jeeignet scheinen?"
"Zwei auf jeden Fall."
"Na toll, und von sowat wird unsaeens als kulturlose Babaren bezeichnet", sagte Kette.