Das Grauen der Tiefe: Kapitel XXII
09.09.2010 - 12:42 von RedaktionHauptkommissar Schmidt und Edgar gingen durch die gefliesten Flure der zentralen Leichenhalle.
"Saal 403 soll der jute Mann liejen, ham se jesacht. Na, mal kucken, wat der Jute für ne Befindlichkeitsstörung hat."
"Herr Hauptkommissar, das ist aber sehr pietätlos, den Tod als Befindlichkeitsstörung zu bezeichnen", protestierte Edgar mit belegter Stimme, während sie Saal 403 betraten.
"Oder was sagen sie dazu, Frau Professor?", fragte er an die Pathologin gewandt.
Sie drehte sich um, stemmte die Hände mit den Handflächen nach außen in die Hüften und guckte böse: "Erstma heißt dit: 'Juten Tach, dürfen wa rein komm'n'! Ick platz' ja ooch nich ohne Begrüssung in eua Büro."
"Ich wünsche Ihnen einen überirdisch zauberhaften Tag, hoch verehrte Vertreterin der Zunft der Leichenöffner, Frau Doktor Bissmeyer. Ich würde mich über alle Maßen freuen, in Ihre heiligen Hallen der postmortalen Investigation eintreten zu dürfen, um den neuesten Erkenntnissen aus Thanatos Reich gebannt und voller Ehrfurcht lauschen zu dürfen", sagte Hauptkommissar Schmidt überschwänglich und verbeugte sich dabei.
"Wenn se sooo ehrfürchtich frajen, sei et ihnen jestattet."
Edgar setzte an: "Dürfte ich ebenfalls um Einlass in die Hallen der Finsternis bitten, um gleichfalls in die dunklen Geheimnisse der Unterwelt eingewies …"
"Nur wennde de Klappe hält und nix anfasst", schnitt die Pathologin ihm das Wort ab.
Leise sagte sie zu Hauptkommissar Schmidt: "Warum ooch immer du'n neuet Haustier hast, iss mir so ziemlich ejal, Alfred, aber warum musste dit hier mit her bringen?"
"Dit hab ick mir nich zujelecht, den hat mir der große Zampano ans Schienbeen jenajelt. Der war früha bei der 23. Knüppelbrijade", flüsterte er.
Laut und deutllich fragte er: "Wat könnse uns üba den Toten sajen, Frau Doktor?"
"Dit Opfa wurde aus nächsta Nähe mit nem Schuss in den Kopf jetötet. Die Spurensicherung teilte mir mit, dasse een Projektil Kaliber 9mm Makarow jefunden hab'n. Diese Waffe jibet unzählije Male in Berlin."
"Aber solche Schusswaffen sind doch allgemein verboten", sagte Edgar verwundert.
Die Pathologin verdrehte die Augen: "Welchet Kaliba hat ihre Dienstwaffe, Herr Kommissar?"
"Ich habe derzeit gar keine, wie mir auffällt."
"Dit iss wahrscheinlich ooch bessa so. Wenn se eene hättn, wovor uns höhere Mächte bewahren möjen, hätte se Kaliba 9mm Makarow."
Zum Hauptkommissar sagte sie etwas leiser: "Seit wann issa bei dir?"
"Seit heute Morjen."
"Na wenna erst jezze merkt, dassa noch keene Knarre hat, ist er nich grad vonna schnellen Sorte. Mit dem kannste ja geistig gleich in Bleischuhen joggen jehen."
"Meen Reden, meen Reden, wenn du ihm den Bericht vorlegst dann hätten wa nen paar Minuten für uns, wennde magst."
"Der Bericht iss noch nich fertich."
"Dann jib ihm doch nen anderen. Ick gloob wir sind uns darin einig, dassa den sowieso nicht kapiern wird."
"Naja, wenna dann erst mal de Schnauze hält, dann jeb ick ihm die Fälle der letzten hundert Jahre. Ick hol schnell nen Bericht für dein Einzeller und du verdünnisiert dir zu de Kühlfächer, allet klar?"
"Jeht klar, meene Große."
Die Pathologin gab Edgar einen Bericht, auf den er sich begierig stürzte. Als sie sicher war, dass er im Übereifer seine Umwelt komplett ausgeblendet hatte, ging sie zu den Kühlfächern.
Hauptkommissar Schmidt wartete schon auf sie, als sie auf ihn zu kam, nahm er sie in den Arm: "Sehn wa uns heut' abend?"
"Nur wenn de dein Haustier wechsperrst."
"Ick geb ihm nen Zettel, den ick uff beeden Seiten mit 'Bitte wenden!' beschrifte. Damit sollta ne Weile beschäfticht sein."
"Einvastanden. Dann zum Abendessen bei dir."
"Jut. Ick koch dit Hauptjericht, du stellst'n Nachtisch."
"Irjendwelche Wünsche?"
"Wat rotet wär chic, und nich zuviel."
"Und wenn du mir nen Berlina-Acht-Jänge-Menu vorsetzt, dann jibts keenen Nachtisch."
"Berlina-Acht-Jänge-Menu? Wattn ditte?"
"Currywurst, Pommes-Rot-Weiß und nen Sechserträga Bier."
"Na da mach dir mal keen Kopp. Jibt lecka Bratwurst mit ner ordentlichen Soße."
"So iss fein", sagte sie, tippte ihm sanft auf die Nase und löste sich aus seinen Armen.
"So, nu sammel mal dein Haustier ein, eh dit mir noch in de Ecke macht. Ick wünsch euch zwee Hübschen noch nen feinen Tach."
"Du schaffst dit imma wieda, unglaublich fille Ironie in unglaublich kurze Sätze zu vapacken", verabschiedete sich Hauptkommissar Schmidt, ging zu Edgar und sagte: "Punkt Eens: dit Schwarze iss de Schrift und Punkt Zwee iss: du hälst dit verkehrt rum", nahm ihm den falschen Bericht weg und schleifte ihn zur Tür.