Kino ohne Talent
roman

Das Grauen der Tiefe: Kapitel XXXI

09.09.2010 - 12:42 von Redaktion

'Tod durch Ersticken' war das Ergebnis, zu dem die Pathologin gekommen war.
"Ein stumpfer Gegenstand hat ihm eine Rippe gebrochen, und diese hat die Lunge punktiert. Er ist an seinem eigenen Blut erstickt."
"Die Hantelstange lag neben der Hantelbank, auf der er gefunden wurde", sagte ein Beamter, der neben ihr stand.
Hinter ihr knallte es und laut ertönte: "Kommissar Müller meldet sich zur Stelle, Herr Großkommandant."
"Och nee, nich der schon wieda", sagte sie leise und zum Leichnam gewandt, "Dit einzich jute an seiner Anwesenheit iss, dat se Alfreds Anwesenheit impliziert."
"Na meene Große, wie jehts, wie stehts?", flüsterte Hauptkommissar Schmidt ihr leise ins Ohr.
Sie dreht sich zu ihm herum und sah ihn an.
"Boah, geil ey, wenn du noch nen bissl übst, dann schaffste dit heute noch, dass deine Mundwinkel bis zu den Schultern reichen", sagte er.
"Der Großkommandant iss jut dabei, dass ick dit heute ooch noch schaffe. Also Alfred, keene witzijen Sprüche mehr, ick hab een Skalpell und vadammt schlechte Laune."
"Ok ok, ick hab vastanden Frau Doktor. So magst du mir erzählen, uff welche Weise uns da Meistaturna valassen hat?"
"Ausführlich oder die Idiotenversion, wie beim jroßen Zampano?"
"Ach komm, du willst dit doch ooch. In allen, aber ooch wirklich allen haarkleenen Einzelheiten. Wenn du ooch nur een Hautschüppchen wegläßt, dann werd ick dir aber sowat von übers Knie legen."
"Dit mit dem übas Knie legen später vielleicht. Nich hier, dit könnte die Kollegen hier geringfügig verwirren."
"Also, ick lausche dir jebannt und erschieße jeden der dazwischenquatscht."
"Bitte nich, dit jibt nur noch mehr Arbeit, als ick ohnehin schon am Hals hab. Muss nich sein. Aber na jut, dann mal los. Den Abjeordneten ham se heute Mittach tot uff da Hantelbank gefunden. Neben da Bank lag die Hantel mit 40 Kilo dranne. Jestorben isssa, weil eene jebrochene Rippe seine Lunge perforiert hat." Hauptkommissar Schmidt hob den Zeigefinger.
"Ja, Alfred, wat iss?", fragte sie entnervt.
"Entschuldijung, ick kann mit diesem 'perforiert' nix anfangen."
"Mensch Alfred, dit war jezze aber der wirklich letzte Witz für heute."
"Ähm …", druckste Alfred herum, "dit iss grad ernst jemeent, keen Scherz."
"Oh, dann hab ick nix gesagt. Ne Rippe hat'n Loch in seine Lunge jestochen, wodurch Blut in die Lunge jeflossen iss. Daran issa erstickt."
"Klingt scheußlich schmerzhaft."
"Kannste glooben. Mehr kann ick dir aber erst erzählen, wenn er bei uns uffm Tisch liecht."
"Na, so schön iss der Kerl ooch wieder nicht, dass ick mir den als Tischdecke zulegen würde."
"Idiot", sagte sie mit einem Lächeln, "Wat hälste denn davon, wenn wa uns heute Abend mal janz jepflecht vorn Fernseher pfläzen und nen Film gucken?"
"Na na na, nich zu vatraulich werdn hier, dein Einzeller kiekt schon rüba."
"Der soll ma schön ruhig sein, der jeistige Flachköppa."
"So, nun ist aber genung Süßholz geraspelt, Herr Hauptkommissar", mischte sich Edgar ein.
"Sajen se mal, wat fällt ihnen ein, mich innem Dienstjespräch zu untabrechen? Ham ihn ihre Eltern nich beijebracht, dit wenn sich Erwachsene untahalten, man selba die Klappe zu halten hat, bis die beeden ferdich sind? Dit man nicht dazwischen quatscht? Ick gloob, bevor se die Polizeiakademie von innen betrachten, solltn se erst ma ne Benimmschule durchloofen. Sonst wird dit nie wat mit weiteren Beförderungen, Kommissar Müller", wies Hauptkommissar Schmidt Edgar zurecht, wobei er Name und Rang laut betonte.
"Kommen Sie, wir müssen den Angehörigen die traurige Botschaft mitteiln und sie zu befragen."
Als sie gemeinsam den Raum verließen, sagte Hauptkommissar Schmidt leise zu Edgar: "Hör mir mal zu, Kleena, wenn du mir noch mal so in die Parade fährst, dann werde ick echt unjemütlich."

"Es tut mir fruchtbar leid", sagte Edgar.
"Furchtbar, du Trottel. Nich fruchtbar, furchtbar. So wie dein Jerede grade. Hör bloß uff, oda die Frau verpasst dir noch den Gnadenschuss", raunte Hauptkommissar Schmidt ihm zu.
An die Frau des Abgeordneten gewandt, sagte er: "Frau Roske, es tut uns leid, aber wir müssen ihnen leider mitteilen, dass ihr Mann tot in seinem Sportraum aufgefunden wurde."
"Tot? Aber wie? Er war doch das blühende Leben?", schluchzte sie.
"Ihm ist beim Bankdrücken eine Hantel mit 40 Kilogramm auf die Brust gestürzt."
"Oh Gott, wie schrecklich, wo er doch so begeistert vom Sport war. Er sagte immer: 'In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.' Und nun das! Wie konnte es nur dazu kommen?"
"Das wissen wir noch nicht genau, aber wir gehen davon aus, dass es ein Unfall war. Können sie uns berichten, was ihr Mann am Vorabend des Unfalls tat?"
"Der Herr Großkommandant war zu Besuch, und sie saßen im Raucherzimmer und tranken zusammen etwas und unterhielten sich über eine Rekrutierungskampagne, die ihr Chef demnächst in Schulen starten wollte."
"Waren sie anwesend bei dieser Unterhaltung?"
"Nein, ich hatte Migräne und bin deshalb früh zu Bett gegangen."
"Ich danke ihnen vielmals für ihre Hilfe, Frau Roske. Nochmals mein aufrichtiges Beileid zu ihrem Verlust."
Edgar starrte den Hauptkommissar die ganze Zeit über fassungslos an.
Als sie das Zimmer verließen, sagte er: "Ich bin verblüfft, Chef."
"Wovon, Kleena?"
"Dass sie Hochdeutsch können."
"Hast bei deina Kleenen wohl inna Witzkiste jeschlafen, du Komika."
"Warum haben sie ihr denn gesagt, dass der Tod ihres Mannes ein Unfall war?"
"Du hast echt null Ahnung und mit deina Beobachtungsjabe isset ooch nich weit her. Mensch, hast dir ooch mal wat anderet anjekiekt als ihr Dekolleteé? Du Blitzmerka, erstma sind die Dinga nich echt, dit sieht nen Mann uffn ersten Blick. Zweetens haste dir mal ihr Pfoten anjekiekt, weeß wie Porzelan, weich wie ne Sommerbrise, keene Arbeitsspuren. Anjeklebte, lackierte Fingernägel, fein säuberlich blondierte Haare. Die hat noch keenen Tach in ihrem Leben jearbeitet, also nich inna Vertikalen. Die Alte iss jenau dit gleiche wie deene Kleene, Armschmuck."
"Armschmuck? Wie meinen sie das?"
"Janz einfach, dass sie bei öffentlichen Ufftritten deenen Arm schmückt, wennse sich bei dir unterhakt, oder wennse deene Hand hält. S'e wird wahrscheinlich nie Lili Soundso sein, sondern immer die Frau von …, se wird nie als eijenständige Person wahrgenommen, sondan immer nur als Anhängsel von irjendjemanden. Vastehste? Die größte Leistung im Leben solcha Frauen isset, im richtijen Moment 'Ja' zu sajen. Die ham von Politik keene Ahnung, woll'n und müss'n se ooch nich, denn um allet wichtije kümmert sich ihr Stecha. Die Frau hat keene Ahnung, dit derzeit die Abjeordneten sterb'n wie die Fliejen im Winta. Und um se nich unnötig uffzurejen und zu vameiden, dit se als Abjeordneten-Witwe beim Großkommandanten Druck macht, dit wa den Täter schleunichst zur Rechenschaft ziehen solln, hab ick ihr erzählt dasset nen Unfall war. Ick hätte ihr ooch erzähln könne, dassa vonem LKW in seim Fitnessstudio platt jefahren wurde, dit hätte se mir mit zweemal nachfragen ooch jegloobt."
"Wirklich? Das glaube ich nicht."
"Oh Mann ey, du bist noch viel weiter hinterm Mond, als ick jedacht hab. Mensch, wa haben Dienstmarken, damit habn wa bei solchen Menschen automatisch recht, weil wa ne Dienstmarke haben. Wende der erzählst, dit du se jetzt grad janz dringend pimpern musst, weil dit entscheidend für die Innere Sicherheit iss, dann legt die vor dir nen Weltrekord im Ausziehen hin."
"Ich dachte, sowas gibt’s immer nur im Porno."
"Ick sachte ja vorhin schon, dit die wahrscheinlich noch nie vertikal jearbeitet hat. Von horizontal war nie die Rede."
"Sie meinen, diese Frau hat früher als Pornodarstellerin gearbeitet?"
"Dit meene ick nich nur, dit wees ick hundertprozentig."
"Haben Sie Beweise? Weil ansonsten ist das Rufmord, wie Sie wissen."
"Ick habe massenhaft Beweise zuhause. Wenn deine Freundin ma mit dir Schluss machen sollte, oder wende nur ma so zwischendurch Bock druff hast, kann icks dir mitjeben, dann kanste dir die jute Frau mal so richtig in Aktion betrachten."
"Nein, danke. Lili und ich lieben uns für immer und werden uns niemals trennen."
"Dit hab ick damals zu ihrer Mutter ooch jesacht."
Bei diesen Worten wurde Edgar leichenblass und ihm wurde flau im Magen. Sie verließen das Haus und fuhren zur Zentralen Leichenhalle.
Am Emfang der Leichenhalle erkundigte sich Hauptkommissar Schmidt: "Wo findn wan den Patienten Herrn Roske? Der Jute wurde mit ner akuten Lungenperforation hier heute Mittach eingeliefert."
"Saal 403, bei Frau Doktor Bissmeyer", sagte die Dame am Emfangstresen.
"Oh, nein, nicht schon wieder diese grummelige alte Schnappschildkröte", stöhnte Edgar.
"Wen haste denn erwartet? Wir haben nur eene Pathologin, mehr brauchen wa ooch nich und außerdem haben se die ooch nur noch der Vollständigkeit halba. Wat wäre ne Polizei ohne Pathologie? Aussadem hat se jenuch für drei uffm Kasten."
Sie erreichten Saal 403.
Hauptkommissar Schmidt setzte gerade an, anzuklopfen, da dreht sich die Pathologin um und sagte in barschem Ton zu den beiden: "Keene Witze, keene Sprüche, keene Unterbrechungen, der Großkommandant geht mir schon jenuch uff die Eier …"
"Aber Frau Doktor, das ist doch …", unterbrach Edgar sie.
"WATT HAB ICK JESACHT? HALT DIE SCHNAUZE, ODER DU BIST GLEICH MEEN NÄCHSTA FALL!", brüllte sie mit wutverzerrter Miene.
Wieder an beide gewandt, sagte sie etwas ruhiger: "Habe ich mich klar ausgedrückt?"
"Ja", antworteten Edgar und der Hauptkommissar gleichzeitig.
"Sehr schön, dann sperrt mal eure Horchlöffel uff und macht den Suppenschacht zu, ick will mir nicht unnötich wiederholen. Als dit Opfa starb, waret voll wie tausend Russen, blau wie ne Strandhaubitze. Der hatte eene Fahne, mit der hätta fast Feuer spucken könn. Den Blutalkoholwert hätte ick fast in Prozenten anjeben können. Er hat ooch noch nen Hämatom am Oberarm, als hätte ihm eener dajegen jehaun. Wat erklären würde, wia die Stange hat falln lassen könn, ohne dassa danach um Hilfe jerufen hat."
"Also war et Mord?"
"Janz eindeutig."
"War ja irjendwo klar."