Das Grauen der Tiefe: Kapitel XLII
09.09.2010 - 12:42 von RedaktionThul erwachte mit einem dröhnenden Schädel. Als er die Augen öffnete, sah er zuerst Sams Gesicht über sich. Sie hatte seinen Kopf in ihrem Schoß gebettet.
"Na, wieder fit?", fragte sie ihn.
"Ohah, mir dröhnt der Schädel", sagte er.
"Hmm, kenn ick. Hat ick vor kurzem ooch, irjend so ein Vollidiot hat mir eene runtergehauen", sagte Sam.
"Ahh, so is dit passiert. Sach mal, bin ick dit, der hier so stinkt oder wo kommt dit her?"
"Wir sind in der Kanalisation, deshalb riecht dit hier so streng."
"Kanalisation? Wie? Wat? Wir sind nich inna Werkstatt? Wo iss meene Werkstatt? Watt iss mit meener Werkstatt?"
"Die hat die Schutztruppe nach allen Rejeln der Kunst kassiert und platt jemacht."
"Dit iss nich dein Ernst? Scheisse icke hatte doch da noch wat für dich."
"Watt'n?"
"Wirste sehn, wenn wa da sind und wenns noch da iss", sagte Thul und rappelte sich auf.
Gemeinsam verließen sie die Kanalisation und machten sich auf den Weg zur Werkstatt. Von der Werkstatt war nicht mehr als eine Ruine übrig geblieben. Als Thul das sah, stand er wie versteinert da.
"Ey, nu komm, steh hier nicht so rum wie nen Ölgötze."
Sam zerrte Thul zu den Ruinen.
Dort angekommen sagte sie: "Na, viel kanns hier ja nich jeben, watte noch für mir haben kannst."
"Hilf mir ma, den janzen Mist hier wechzuräum'n", forderte Thul sie auf.
Der Boden war mit Schutt, kaputtem Werkzeug und Metallteilen überhäuft. Sie kamen nur langsam voran, da sie aufpassen mussten, sich nicht an den scharfkantigen Teilen zu schneiden.
Plötzlich schrie Sam kurz auf: "Verdammt, ick hab mir mit irgendwat jeschnitten."
Thul kam herüber und betrachtete sich die Wunde: "Von mir kanns nich sein. Wenn, dann wäre der janze Arm mit nem sauberen Schnitt ab."
"Sehr lustich, hattest wohl nen Witzbuch zum Frühstück?"
"Keene Ahnung, wat Kette das so heute morjen in den Topf gehaun hat."
Er ging kurz zum anderen Ende der Werkstattruine, wo er eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit und einen zu Sams Erstaunen sauberen Lappen aus dem Müll fischte.
"Zeich mal deinen Arm her!", sagte Thul.
Er öffnete die Flasche, aus der ein beißender Geruch strömte.
"Meinste es ist jetzt die richtige Zeit, sich einen auf die Lampe zu gießen?"
"Nee, aber es is Zeit, die Wunde zu reinijen. Halt still, dit wird gleich nen bissl brenn'."
Thul tränkte einen Teil des Lappens mit dem Schnaps und wischte die Wunde sauber. Den restlichen Teil band er wie eine Wundauflage um den Arm und fixierte ihn mit Gewebeklebeband. Sam betrachtete den Verband kritisch.
"So, weita jeths", bestimmte Thul.
Sie fuhren fort, den Schutt beiseite zu räumen. Auf einmal fühlte Sam sich irgendwie seltsam. Ihre Reaktionen waren langsamer und ungelenker als sonst. Es schien ihr, als sei aufrechtes Stehen schon eine kaum zu bewältigende Herausforderung.
"Oah Thul, irjendwie iss mir komisch", sagte sie.
"Hä? Watt iss los?", rief Thul zu ihr rüber.
"Mir iss komisch!", brüllte sie zurück.
Sie wollte zu ihm rüberlaufen. Als sie jedoch losging, verlor sie fast das Gleichgewicht und taumelte nach rechts. Das gleiche passierte ihr, als sie den linken Fuß vorsetzte. Sam verstand die Welt nicht mehr. Sie schaffte es irgendwie, sich ohne hinzufallen über das Schuttfeld zu bewegen, obwohl der Fußboden unter ihr hin- und herzukippen schien. Als sie vor Thul stand, hatte sie das Gefühl wie ein Schilfhalm im Wind zu schwanken.
"Tull …", sagte sie mit schwerer Zunge.
"Ja?"
"Wat … wat … wat hassu mit mir jemacht?"
"Nix."
"Doch. Doch hassu. Du … Du … Du Schweinehund!"
"Sam, kannet sein, dit du betrunken bist?"
"Isch? Niemalls nich. Isch drinke keen Ahlkoholl. Isch muß doch Pansafahn."
"Hmm. Schon ok, setz dir besser erstma hin."
"Pansafahn. Wromm, wromm."
Sam hielt die Hände in die Luft, als wenn sie ein unsichtbares Lenkrad vor sich hätte. Thul legte ihr seine Hand auf die Schulter und brachte sie in eine sitzende Haltung. Er drehte sich kurz um und hielt nach etwas Ausschau. Hinter sich hörte er ein kurzes Würgen und ein Geräusch, als sei ein Sack umgefallen. Als er sich wieder zu Sam wandte, sah er, dass sie umgefallen war.
"Binn ummefalln", sagte sie und lachte.
"Hmm. Jute Idee, wat liecht, kann nich fallen", sagte Thul.
Er fand, was er gesucht hatte, nämlich eine Plane. Er schnappte sie sich und ging damit zu Sam. Sie war inzwischen eingeschlafen, wo sie umgefallen war. Als er sie zudeckte, wurde sie noch einmal wach.
Sie schaute ihn an: "Irjendwie bissu eijentlich jar nich so der jrenzdebile Trottel, als wie icke jestern jedacht hab. Eijentlich bissu janz ok, fassssssüß."
"Ich bin nicht süß, sondern höchstens schlecht für die Zähne", gab Thul bissig zurück.
Doch das hörte Sam nicht mehr, sie war eingeschlafen. Thul fuhr fort, den Schutt wegzuräumen.
Als Sam am nächsten Morgen erwachte, hatte sie das Gefühl, das Rommels komplettes Afrikakorps durch ihren Kopf gefahren sei. Zuerst dachte sie, das Dröhnen in ihnem Kopf sei das Motorgeräusch ihres Panzers. Da sie ihn aber nirgends sah und sich auch kurz darauf erinnerte, dass er ja gestern zerstört worden war, erkannte sie, dass das Dröhnen nur in ihrem Kopf existierte.
"Juten Morjen, Dornröschen. Na, fein jeschlummert?"
"Boah, halt die Fresse. Ick fühle mir so wie du aussiehst."
"Dann jeht's dir also glänzend. Icke fühle mir jedenfalls so, wie du aussiehst", gab er zurück und grinste sie an.
Sie griff sich ein kleines Stück Schutt und warf es grob in Thuls Richtung.
"Wat treibst du da überhaupt?", fragte sie.
"Wirste schon sehn."
Thul begann an einem Hebel zu arbeiten. Vor ihm bildete sich ein Spalt im Boden, der langsam aber sicher größer wurde. Dazu kamen mahlende und quietschende Geräusche. Nach einer Weile konnte Sam erahnen, was sich in der Grube befand, es musste etwas riesiges sein. Eine halbe Stunde später waren die Klappen, die Thul mittels einer Hydraulik geöffnet hatte, vollständig offen und er begann, an einer riesigen Kurbel zu drehen. Sam erkannte, dass sich der Boden des Lochs vor ihr zu heben begann.
"Keule, wenn dit dit iss, für dit icke dit halte, dann haste dir damit in die Annalen der Rüstungsjeschichte einjeschrieben."
"Nee du, lass mal. Meen Arsch bleibt ne Einbahnstraße."
"Idiot."
"Selba Idiot."
"Idiotin bitte. Oder willst du mir meine Weiblichkeit abspreche, nur weilick Panzafahrerin bin?"
"Du schreibst Regenrinnen ooch mit jroßem 'I' wa?"
"Hä?"
"Na RegenrInnen"
"Machn Kopp zu und sach mir lieber, wat dit sein soll."
"Ditte? Dit iss meen kleener Schnuffel."
"Aha."
"Schnuffel wiegt circa 90 Tonnen."
"Und wat kanner so tollet?"
"Stören, laut sein, kaputt machen."
"Seit wann brauchste denn dafür Jeräte? Dit kannste doch schon janz jut alleene."
"Dit mag ja sein, aber damit kann icks noch bessa."
"Achso, ne Schwanzvalängerung, sachs doch gleich."
"Jenau, denn mit dem kann ick nur Panik und Entsetzten verbreiten, für Tod und Zerstörung braucht icke Bruno."
"Bruno? Wer denn nu wieda Bruno?"
"Na ditte."
Thul zog die Abdeckplane von dem Fahrzeug und Sam sah einen Schriftzug, der wohl den Namen darstellen sollte.
'Druttis Riwänsch' stand dort in hellgrau auf dunkelgrauen Lack.
"Was steht denn da?", fragte Sam.
"Druttis Revenge", las Thul vor.
"Wer solln dit sein, dieser Drutti?"
"Na, Bruno Drutti, dit war nen antichristlicher, antifanatischer Freiheitskämpfer im panischen Würgerkrieg. Noch nie wat von der Kommune Drutti jehört?"
"Oh Mann, sobald irjendein Thema dit Jebiet Metall und Tod verlässt, dann biste ooch verlassen wa? Ick schätze eher, du redest hier von Buenaventura Durruti. Ditte war nämlich nen anarchistischa Freiheitskämpfa im Spanischen Bürjakriech. Und wat du jemeint hast, war nicht die Kommune Drutti, sondan die Kolonne Durruti. Nen basisdemokratischer Infanterie-Kampfverband. Wat hat dein Spielzeucch denn so allet uffm Kasten?"
"Jeschweißte Panzastahlwanne. In der Wanne starr einjebaut zwee mal nen 88mm PAK. Die Ketten loofen über die Wanne rüber. Dadruch konnte ick noch seitlich jeweils een koaxiales Revolverjeschütz rantackern. Die können zur Not ooch vom Beifahrer per Kamera und Fernsteuerung bedient werden."
"Dit klingt ja mal schon janz nett. Wozu brauchste dann noch den Turm?"
"Na, irjendwo muss ick doch noch die 76,2mm Kanone und den Minenwerfer nach hinten unterbringen."
"Watt issn dit da vorn, wat das so schräg rauskiekt?"
"Dit iss die Gatling-Gun fürn Beifahrer, dia per Hand bedienen soll."
Sam machte eine Runde um den Panzer herum, dabei fuhr sie mit der Hand über das Fahrzeug.
"Sieht allet ordentlich verarbeitet aus."
"Haste wat anderes von mir erwartet?"
"Hier hinten stehen noch ne paar Stahlstreben raus, die haste vajessen abzuschneiden."
"Wende die anschnippelst, schnippel ick dir wat ab. Dit is die Schiene vom Minenenleger."
"Minenleger? Wat solln ditte?"
"Na janz einfach. Normale Fahrzeuje kannste mit Krähenfüßen stoppen, weil de Reifen zastochen werdn. Bei Karren, die Volljummireifen oder gar keine Reifen haben, wie zum Bleistift andere Panza, da helfen Minen. Jenauso wie allen größeren Karren. Wenn se ruff fahren, machts 'Bumm' "
"Wie ist das Ding eigentlich jepanzat?"
"Frontpanzarung 150mm, anne Seiten 100mm und hinten 80mm"
"Fassen wa zusammen, zwee mal 88mm Jeschütz."
"Die haben ooch noch nen coolen Trick druff."
"Echt welchen?"
"Zwee Feuermodusse."
"Wat fürn Ding?"
"Die können uff zwee vaschiedene Arten ballern."
"Aha. Und wie soll ich mir dit vorstellen?"
"Na ja, entweder kannste beede uff einmal abschiessen und dann wieder janz langweilig laden. Oder du setz noch de Schwerkraftmajazine ein und kannst dit im alternierenden Rhythmus jeweils fünf Schuss pro Rohr abjeben."
"Watt?"
"Na, entweder beede gleichzeitig oda abwechselnd bis zu fünf Schuss vollautomatisch."
"So ne Art 88mm Maschinenkanone?"
"So inna Art."
"Also noch mal, fassen wir zusammen: ein 2x88mm Mörderjeschütz, drei Jatling-Juns und ein Minenleger im Rumpf, ne 76,2mm Kanone im Turm zusammen mit nem schweren Granatwerfer. Dafür würde dir die Kerle vom R.S.K. oder den Wölfen einen Heiratsantrag machen."
"Und wie steht mit dir?"
"Uff diese Frage antworte ick mit nem entschiedenen – vielleicht. Ick will erstmal probefahrn, irjendwelche Zielvorschläje?"
"Jo, hab ick, Hellvillage."
"Oh Mann, gleich richtig tief in die Scheiße?"
"Nee, janz im Jegenteil, raus aus da Scheiße. Wenn die Schutztruppe da mit ihre Panzas rinnkommt, dann kommen wir da ooch raus."
"Der Ausjang wird bestens ausjestattet und schwer bewacht sein."
"Na und? Hast doch selba festjestellt, dit wir dit ooch sind. Oder willste jezze, wo de den coolsten Panza von janz Altberlin unter deinem hinreißenden Arsch haben kannst, kneifen?"
"Ok, wie schmeiß ick die Kiste an?"
"Uff Start drücken."
"Wo?"
"Neben dem Steuerknüppel."
Sam verschwand durch die Fahrerluke im Inneren des Panzers: "Woah, aus der Kiste steig ick nie wieder aus."
"Ick hoffe, dit du doch irjendwann hier wieda aussteigst."
"Warum sollte ick denn ditte, dit Teil ist der Hammer!"
"Als ick dit Ding inn' drinn jeschweißt hab, bin ick hier ooch einjezogen. Nach ner Woche konnte ick meinen eijenen Jestank nicht mehr ertragen. Ick hab mir quasi selbst ausjeräuchert."
"Kannste mir die Karre ooch erklären? Hier sind ne Menge Sachen, mit die icke nüscht anfangen kann. Der Hebel hier zum Bleistift."
"Mit dem kannste den Sitz hoch und runterfahren, wenn du raus gucken willst, zum Aussteijen nicht jeeignet."
"Und ditte hier?"
"Ditte iss von Isolde. Son Gehpehess-Dingens. Dit soll loofen, falls Schnuffel jemals aus dem Loch hier rauskommt. Dit soll so ne Art ecklecktrische Landkarte sein."
"Watt solln dit für komischer Bildschirm sein?" - "Ditt iss die Zielanzeije für die Zwillinge, Boris und Joachim."
"Wer?"
"Die beeden 88er Jeschütze, die sind ja feste einjbaut, da zielste mitm Steuerknüppel."
"Krasse Scheiße ey. Und dit hier?"
"Ditte iss die Anzeije für Treibstoff, Jeschwindigkeit und Zellentemperatur."
"Womit looft die Karre übahaupt?"
"Mit na Brennstoffzelle, die Strom macht. Zur Not kann ick den Turm noch per Hand drehen und dit Turmjeschütz ooch."
"Die Karre iss ne fahrende Wassastoffbombe? Bist du bescheuert?"
"Haste jemals dranne jezweifelt?"
"Keinen einzijen Moment. Mal anjenommen, wa schaffen dit lebend nach draußen. Wat dann?"
"Wech von hier. Irjendwohin."
"Und wat willste dann da?"
"Meene Ruhe haben."
"Wat iss mit Kette und der Kleenen? Easy?"
"Die sinn wahrscheinlich tot. Ick hab nix mehr, wat mir hier hält. Warum soll ick inna Stadt bleibn, wo mir potenziell allet ans Leder will und wo kaum eener mir mag? Außerdem will ick wissen, wie'n Himmel aussieht und wat zum Henker so ne Wiese sein soll."
"Wat fürn Zeug?"
"Jenau, und dit will icke ja wissen. Kommste mit?"
"Hab ick ne Wahl?"
"Klar, du kannst zu den Polithippies inne K34 oder Köpi jehen, du kannst dir bei de Schwarzen Wölfe in nen permanenten Schwangerschaftsurlaub bejeben oder dir vom R.S.K. die jeweilige Speerspitze der Weltrevolution zeigen und vorführen lassen."
"Na, dit sind ja tolle Aussichten. Ok, wo war noch mal der Startknopp?"
"Rechts neben dem Steuerknüppel. Aber vorh …"
Sam drückte den Startknopf. Ein lautes Dröhnen erfüllt den Innenraum, die Bildschirme flackerten auf und der Panzer wurde innen von einem grünen Licht erhellt.
"Boah Scheisse, wasn dits fürn Krach, wie soll ick dit denn aushalten?", brüllte Sam.
Thul stülpte ihr von oben einen Helm über. Sofort wurde es leiser, das Dröhnen verschwand fast völlig und Sam hörte Thul über das eingebaute Headset.
"Bessa so?"
"Jo jezze jeths."
"Dit nächste Mal sachste Berscheid, bevor de den Motor anschmeßt."
"Ick denk, dit iss ne Brennstoffzelle?"
"Jo, stimmt, aber die treibt den Elektromotor an."
"Klugscheissa."
"Selba. Jib Jummi, oder willste warten bis uns der Kontinentaldrift an Hellvillage vorbei schiebt?"
"Den Spruch haste Kette jeklaut."
"Sicher, dasset nich umjekehrt iss?"
"Dit iss eine interessante Fraje, die wa nie beantworten werdn könn."
"Na los, oder willste Wurzeln schlagen?"
"Hüpf' rinn, Kerl, ick brauch dir im Turm."
"Du meenst, du hast mal wieder einen im Turm?"
Über das Funkgerät im Helm klang Thul etwas kratzig, aber anders ging es bei dem Motorenlärm des Panzers nicht.
"Darüber wollte ick eh noch nen Wörtchen wechseln. Wenn du mir noch mal mit Alkohol abfüllst, brech ick dir sämtliche Knochen."
"Janz ruhig, ick war voll und janz damit beschäftigt, den Schutt beiseite zu schaffen, um an Schnuffel ran zu kommen."
"So wie du von da Kiste hier sprichst, könnt man mein, dit wäre dein Sohn."
"Ick erinnere mich da an so ne Jeisteskranke, die hat ma jesacht, dit ihr Panzer ihr Baby wär', und dit se eha mit dem Ding zusammen vabrennen würde, als'n uffzujeben."
"Also Leute jibts, nee nee nee, nur Bekloppte hier. Lass uns abhaun"
Sie hatten die Frankfurter Allee erreicht und waren sie bis zur Höhe der Proskauer gefahren, als sie in einiger Entfernung eine Barrikade der Schwarzen Wölfe erblickten.
"Och nee, müssn wa uns jezze durch jeden Scheiß-Barri kämpfen?" nölte Sam.
"Nee, müssen wa nich. Ick hab da nochn ne weiteren coolen Trick uff Lajer."
"Ach, und welchen?"
"Du hast doch die Panzerschürze jesehen, die oben den Turmdrehkranz schützt?"
"Jo, hab icke."
"Die kann man ooch als Räumschild einsetzten, wenn man sie ausfährt. Und wennde sie nur zur Hälfte ausfährst, dann kannste dir schützen, wennde aus da Fahrerluke rauskletters."
"Ja und nu?"
"Boris und Joachim haben in ihrem Visier nen Zoom drinne. Damit kannste jerob zielen. Aber nur biste die Schürze komplett ausjefahren hast, weil die verdeckt ja de Läufe, und du solltest die nich abfeuern, wenn der Schild runta ist. Dit würde uns in Stücke reißen. Damit kannste aber ooch sehr schön die beeden vastecken, bis den Schild anhebst und losballerst."
"Dein Schnuffel wird mir imma sympatischer."
"Die Barri besteht, soweit ick dit sehe, nur aus lose Steine und nen bissl Holz, ist auch nicht weita vawunderlich, Panzer sind hier eha selten."
"Hör uff, dit Ding hier als Panza zu beleidigen, dit issn Monsta, een allet vernichtenda Behemoth"
Dabei streichelte sie das Fahrzeug. Sam beschleunigte den Panzer auf 80 km/h und fuhr den Schild aus.
Nach vier Minuten fragte sie: "Wann kommt endlich diese Kack-Barri?"
"Wir sind vor unjefähr drei Minuten durchjebrochen."
"Biste dir da ooch sicher?"
"Dit wird mir imma wieda bestätigt."
"Wien ditte?"
"Na ja, von dem einen Kaspakopp hat sich een Arm in da rechten Kette verfangen und der wedelt jezze immer wieder an mir vorbei."
"Dit heißt, wenn icke im richtijen Moment ne Vollbremsung mache, dann fliegt dit Ding in der Haltung von deren Führergruß durch die Landschaft?"
"Jupp."
"Cool, sach bescheid wenns soweit ist. Ick will aba Publikum dabei haben."
"Na spätestens in Hellvillage werden wa dit passende Publikum haben."
Sie fuhren weiter in Richtung Osten.
Abgesehen von einigen lächerlichen Zwischenfällen war der Dienst am Tor II stets sehr entspannt. Mittlerweile hatten die Eingeborenen gelernt, dass sie hier Abstand von den Anlagen der Städtischen Schutztruppe halten sollten. Nur ab und zu gab es noch ein paar verzweifelte Idioten, die es trotzdem versuchten. Sie gingen alle im Kreuzfeuer der Schützenpanzer unter. Oberst Stein saß wie immer in seinem Kommandopanzer und hörte entspannt den Funkverkehr mit. Er rauchte gemütlich eine Pfeife.
Plötzlich kam ein ungewöhnlicher Funkspruch: "Gruppe Fünf an Oberst Stein, bitte kommen."
"Hier Oberst Stein, ich höre."
"Bei Koordinaten 4-6 Beta wurde ein Panzerfahrzeug gesichtet."
"Ja und? Das wird eins von unseren sein."
"Es fehlten jegliche Markierungen, und er entsprach nicht der bei uns üblichen Silhouette."
"Sie sind betrunken. Mann, wo soll denn hier unten ein Panzer herkommen, der nicht zu uns gehört?"
Plötzlich meldet sich noch eine anderen Gruppe: "Gruppe 7 an Oberst Stein, bitte kommen."
"Gruppe 7, Stein hört."
"Sind gerade bei Kontrollpunkt FA 2, FA 2 ist komplett zerstört, FA 3, FA 4 und FA 5 melden sich nicht mehr."
Oberst Stein verband die Standorte der genannten Punkte im Kopf auf einer Karte und er sah, dass irgendetwas in direkter Linie auf Tor II zuhielt.
"Linie 1 für Oberst Stein, unbekanntes Panzerfahrzeug ist mit hoher Geschwindigkeit auf Kollisionskurs."
Nachdem Thul und Sam vier weitere Kontrollpunkte einfach plattgewalzt hatten, kamen sie endlich in Hellvillage an.
"Halt ma vorsichtig an", sagte Thul.
Er spähte durch das Zielgerät des Turms und gab etwas in den Zielcomputer ein.
"Ok Sam, auf 50 km/h beschleunigen und stoppen bei Kommando, Vollbremsung."
"Jeht klar."
Oberst Stein öffnete die Luke seines Fahrzeugs, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Er sah, wie nicht weit entfernt ein Panzer anhielt. Diese Bauart gab es nicht bei der Städtischen Schutztruppe. Vor dem Rumpf war ein in einem stumpfen Winkel zulaufender Räumschild. Oben war, so vermutete er, ein altes 120mm Glattrohrgeschütz.
Plötzlich fuhr der Panzer an, um gleich darauf schlagartig zu bremsen. Dabei hatte sich etwas gelöst und flog durch die Luft. Nachdem er die Flugbahn kurz verfolgt hatte, sah er, das es direkt auf ihn zuraste. Doch da war es schon zu spät. Das Geschoss traf ihn mit der Wucht eines Faustschlags.
Als er wieder zu sich kam, war ein Sanitäter bei ihm.
"Was war das?"
"Ein Arm, Herr Oberst", antwortete der Sanitäter.
"Armleuchter", sagte der Oberst
"Jetzt greifen sie uns schon mit Leichenteilen an. Besetzten sie alle Stationen, machen sie Hackfleisch aus diesen leichenfleddernden Scherzkeksen."
Als Sam wieder Gas gab, hörte Thul, wie die ersten MG-Salven auf dem Panzer einschlugen.
"Kack-Spielzeug, die mach'n mir nur'n Lack kaputt. Sam, wenn ick 'jezz' saje, dann fährste den Schild hoch und zeichst den Spaßvöjeln, wie richtige Feuakraft aussieht.“ Sie rasten mit 40 km/H auf die Linie der Schutztruppe zu. Als die Schutztruppe merkte, dass sie mit MGs nicht weit kamen, wechselten sie das Kaliber ihrer Waffen und schossen mit Panzerabwehrraketen. Was dem Panzer jedoch in keinster Weise zu bremsen schien.
Im Panzer krabbelte Thul vom Platz des Richtschützen auf den Beifahrerplatz und machte sich an dem Computer zu schaffen. Als er die beiden Bildschirme angeschaltet hatte, griff er sich die Joysticks und bediente damit die seitlichen Gatling-Guns, um die Schützen mit den Raketenwerfern in Deckung zu zwingen. Sie waren noch hundert Meter vor der Barrikade der Schutztruppe, als Thul "Jezze!" rief. Sam hob den Schild und feuerte zwei Schuss auf die Barrikade, die sich dabei nur leicht verbeulte.
"Scheiße, ick hab vajessen umzuschalten." brüllte Thul.