Kino ohne Talent
roman

Das Grauen der Tiefe: Kapitel XLIII

09.09.2010 - 12:42 von Redaktion

'Dieser verfluchte Bastard.', dachte Edgar, als er wieder zu sich kam.
Er wollte sich aufrichten, doch ein Sanitäter drücke ihn wieder sanft auf den Boden: "Bleiben sie ruhig, wir versorgen gerade den Schnitt in ihrem Bein."
Edgar versuchte sich, so gut er konnte, ein Bild von der Lage zu machen. Einige Einschusslöcher verunzierten die Tapete. Hinten an der Wand lag ein Körper unter einem Tuch.
"Na, wenigstens haben sie das Schwein erwischt, auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn ich ihn hätte zur Strecke bringen können", sagte Edgar.
"Dazu haben sie noch die Möglichkeit, Herr Kommissar", sagte der Sanitäter.
"Wie bitte?"
"Das dort hinten ist einer ihrer Kameraden."
"Er hat einen Beamten getötet?"
"Nein."
"Aber sie sagten doch, dass der Tote dort hinten ein Beamter ist."
"Stimmt ja auch, aber hat auch noch zwei weitere getötet."
Edgar war sprachlos.
"Laut den Aussagen der Bewohnerin hat er Ihnen diesen Schnitt zugebracht, Sie danach niedergeschlagen und sich ihre Waffe unter den Nagel gerissen. Danach wollte er sich hinter dem Glastisch verschanzen, hat dann aber seinen Fehler eingesehen und den Beamten erschossen. Ein weiterer Beamter hat ihm einen Streifschuss zugefügt. Dafür soll dieser das Bajonett des jungen Manns in den Hals kassiert haben."
Im Hintergrund stemmte gerade ein Mitarbeiter der Gerichtsmedizin seinen Fuß gegen den Bauch der Leiche des Beamten und zog mit aller Kraft an Kettes Bajonett, das immer noch den Leichnam des Beamten am Türrahmen fixierte.
"Nix zu löten anne Holzkiste. Dit müssen wa abschneiden, um den da runter zu bekommen", kommentiert der Gerichtsmediziner.
"Und dit Bajonett?"
"Verkoofs ihr als avangardistischen Kleiderhaken."
"Ok", sagte sein Kollege.
Edgar fragte den Sanitäter: "Wieso hat ihn der dritte Kollege nicht erschossen?"
"Der hielt sich für besonders clever."
"Wieso?"
"Der zwei Meter Hüne dachte sich, dass es clever sei, sich hinter dem kleinen Mädel zu verstecken. Nur dass er locker nen Kopf größer war als sie. Der Typ hat's ihm noch erklärt und dann auch in den Kopf geschossen. Zum Schluss hat ihn die Bewohnerin mit einer großen Vase niedergeschlagen."
"Lili hat ihn unschädlich gemacht?"
"Wenn sie so heißt, ja."
"Ist ihr irgend etwas passiert?", fragte Edgar aufgeregt.
"Nein nein, alles in Ordnung, sie steht ein wenig unter Schock und ist hysterisch. Das war einfach zu viel für sie. So fertig, fast wie neu. Sie sollten in nächster Zeit das Bein nicht belasten, ich empfehle eine Krücke oder einen Gehstock."
Edgar richtete sich auf. Die Wohnung war wirklich ein Schlachtfeld. Der Sanitäter half ihm auf das Bein und er humpelte zu Lili herüber. Sie saß in eine Decke gehüllt und mit verweintem Gesicht auf ihrer Couch. Um sie herum lagen Glas und Porzellansplitter und sie wippte langsam mit dem Oberkörper vor und zurück. Er setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm.
"Schatz, wie geht's dir?"
"A-alles ok. Ich muss die Maler kommen lassen … und und ich brauche einen neuen Wohnzimmertisch. Oh Gott, wie erkläre ich dem Vermieter nur die Kerbe im Türrahmen und all das Blut im Teppich?"
Sie sprach immer lauter und letztlich schrie sie und fing wieder an zu weinen und zu schluchzen. Sie vergrub ihr Gesicht in Edgars Schulter.
Er streichelte ihre dabei den Rücken und sagte mit ruhiger Stimmer: "Komm, es wird alles wieder gut. Wir übernachten heute im Hotel und morgen sieht die Welt schon wieder freundlicher aus."
Er wandte sich an einen Beamten: "Gefreiter, besorgen Sie uns ein Fahrzeug, das mich und die junge Dame zum nächstgelegenen Hotel bringt."
"Jawohl, Herr Kommissar", sagte er und salutierte.
Er drehte sich um und verließ den Raum. Nach zehn Minuten hatte sich Lili wieder beruhigt, und der Gefreite kam zurück.
"Unten wartet ein Fahrzeug mit Fahrer auf den Herrn Kommissar."
"Sehr gut, vielen Dank."
Edgar und Lili erhoben sich und begaben sich zum Auto. Als sie unten aus der Haustür heraustraten, fuhr gerade die Limousine des Großkommandanten vor. Eine Tür wurde geöffnet und eine Hand bedeutet ihnen einzusteigen. Edgar und Lili folgten der Aufforderung.
"Ahh, Kommissar Müller, Fräulein Buskowski! Welch eine Freude, dass ich Sie hier noch treffe. Ich hatte schon befürchtet, sie zu verpassen. Ich wollte Ihnen gratulieren, das sie die zwei gefährlichsten Terroristen von Neu-Berlin gefasst haben."
"Ich danke Ihnen, Herr Großkommandant", sagte Edgar.
"Wie haben sie es eigentlich geschafft, die beiden in ihre Wohnung zu lotsen?"
"Das war eigentlich gar nicht …", wollte Lili erklären, doch Edgar schnitt ihr das Wort ab.
"Lili hatte die beiden auf der Straße gesehen und sofort das Gefühl, dass mit denen etwas nicht stimmte. Da sie wusste, dass ich heute Abend bei ihr vorbei kommen würde, hat sie sie zu sich eingeladen und in Sicherheit gewogen, bis ich eintraf, um sie festzunehmen."
Heinrich hatte Edgar gespannt zugehört und schaut nun Lili eindringlich an: "Das ist unglaublich, wie couragiert Sie gehandelt haben, mein Fräulein. Ohne Sie wären sie höchstwahrscheinlich entflohen und hätten weiter gemordet."
Nach einer kurzen Pause, in der alle drei schweigend dasaßen, ergriff Heinrich erneut das Wort: "Kommissar Müller, ich werde höchstpersönlich ihre Aussagen aufnehmen und würde mich freuen, wenn sie meine Gäste im Hotel Adlon wären, bis ihre Wohnung renoviert ist."
"Das ist sehr großzügig von Ihnen, Herr Großkommandant", sagte Edgar.
"Nenn' mich Heinrich", gab der zurück.
"Das ist sehr großzügig, Heinrich."
"Für meinen besten Mann nur das Beste."
Sie hatten inzwischen das Hauptquartier der Kriminalpolizei erreicht, stiegen aus und gingen zum Empfang. Der Beamte hinter dem Tresen stand auf und salutierte.
"Wir benötigen einen Arbeitsplatz zur Aufnahme einer Aussage", sagte Heinrich
"Dritter Stock, Zimmer 3.024, ist einer frei."
"Sehr gut."
Heinrich führt Edgar und Lili zum Aufzug: "Mein Fräulein, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn sie draußen warten, während ich die Aussage des Kommissars aufnehme? Wenn Sie irgendwelche Wünsche haben, wenden Sie sich bitte an den Stockwerkswart, er wird ihnen alles benötigte besorgen."
"Nein nein, machen Sie sich keine Umstände."
Der Aufzug hielt im dritten Stock und sie stiegen aus. Edgar und der Großkommandant verschwanden im Raum 3.024. Lili setzte sich auf eine der Bänke, die dort für Wartende aufgestellt waren.