Kino ohne Talent
roman

Das Grauen der Tiefe: Kapitel XLVIII

09.09.2010 - 12:42 von Redaktion

Alle drei schauten Easy sprachlos an, das einzige Geräusch im Panzer war das Dröhnen des Motors. Thul fand als erster die Sprache wieder. Er zog seine Maschinenpistole und richtet sie auf Easy.
"Du miese kleene Schlampe", presste er zwischen den zusammen gebissenen Zähnen durch.
"Keule, so eben hast Du den Bereich dit schlecht'n Jeschmacks erfolgreich valassen. Wat kann Easy für den Scheiß, den ihr Vadder vezapft hat?"
"Dit halte ick für ne berechtigte Fraje. Von all den Klappspaten, die uns bisher über den Weg jeloofen sind, hat sie uns noch nich ans Been jepisst."
"Wer weeß, wat se vorhat. Sie iss die Tochta von dem Obermotz von diesen Arschlöchern."
"Wen du jezze hier mit Erbschuld und so komm willst, dann jeh doch zu de Schwarzen Wölfe", versucht Sam Thul zur Räson zu bringen.
"Keule, steck die Knarre wech. Wennde jezze hier rumballerst, werden die Querschläger uns alle pürieren, dann sehn wa hintaher alle aus wie Erdbeerbowle."
Thul richtete immer noch die Maschinenpistole auf Easy. Kette dreht sich so gut es ging herum und schlug mit dem Knauf seinen Messer gegen Thuls Schienbein: "Ey Keule, komm ma wieda klar. Ick wees ja, dit die Mistmaden von da Schutzruppe deene heißjeliebte Werkstatt platt jemacht haben. Aba dafür kann Easy doch nüscht. Im Jejenteil, die wollnse jenauso umnieten wie uns. Wir sitzen alle im selben Boot"
"Dit isn Panza, Keule, nen Panza, der kann nich schwimmen", war Thuls Reaktion.
"Wie, dit kanna nich? Ick bin schwerst enttäuscht von dir, meen Großa", sagte Sam.
Easy saß zitternd neben Thul und wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
"Wir könntn se als Geisel nehmen und freiet Jeleit fordan."
"Ähm, ick wees nich, ob du mir vorhin zujehört hast. Die wolln se tot sehen. Wenn du se also abknallst, tust du den noch'n Jefallen, die sparen dann Munition. Außadem brauchste se, um die Jeschütze zu ladn."
"Stimmt dit? Will dein Alter dir wirklich um die Bije bringen?", fragte Thul Easy.
"Ich fürchte ja. Bisher hat er alles, was ihm im Weg stand, so oder so, rücksichtslos beiseite geräumt."
"Keule, die Schutztruppen wären uns mit oder ohne Easy zur Werkstatt jefolgt und hättn sie platt jemacht. Da isse vollkommen unschuldich dranne."
Langsam senkte Thul die Waffe und sicherte sie: "Wenn wa deintewegen in Jefahr jeraten, dann schieß ick dir dein vadammten Schädel von den Schultan."
"Scherzkeks, wer hattn dafür jesorgt, dass wa mit nem Panza ne Garnision der Schtztruppe platt machen und in dern Hauptkasern eindringen? Ick gloob, dit die Kleene die letzte in der Reihe der Schuldijen iss."
"Hmm ok, du hast recht."
"Danke, ick wees, ick kann nich anders. So jenug heiße Luft produziert, wird Zeit das wa ma wieda nen bissl Jas jeben. So Püppi, sach an, wo wa hin müssen, um ausm Irrenhaus hier rauszukomm'."
"Einfach der Straße folgen, am weißen Rathaus vorbei, unter der Eisenbahnbrücke durch und dann an der nächsten Ampel rechts."
"Klingt einfach, sollten wa schaffen."
Sam gab Gas und sie fuhren los. Mit einer kindlichen Freude spielten Kette und Thul das Spiel 'Wer-schießt-die-Ampel-zuerst-aus'.
Als sie auf die Brücke zufuhren, rief Kette: "Stop! Da iss der Typ, der uns eingebuchtet hat."
"Etwa Edgar?", fragte Easy.
"Keene Ahnung, wie der hieß."
Easy drängte sich an Kette vorbei.
"Das ist er", sagte sie, als sie auf den Monitor der Frontkamera schaute.
"Ja und? Hata panzerbrechende Waffen bei sich? Oda irjendetwat, das uns interessieren könnte?", erkundigte sich Sam.
"Nicht, dass ich etwas sehen würde. Aber was macht er da?" sagte Easy.

Edgar hatte Hauptkommissar Schmidt durch den Hinterausgang aus dem Hauptquartier der Städtischen Schutztruppe zu der S-Bahnbrücke am Alexanderplatz dirigiert. Er wollte ihn mit der S-Bahn zu seinem Bestimmungsort bringen. Als sie gerade unter der Brücke durchgehen wollten, sahen sie, wie sich in einiger Entfernung der Panzer näherte.
"Na, das trifft sich doch hervorragend, Herr Schmidt, da brauchen wir nicht so weit laufen. Vor allem für Sie hat das Vorteile, Männer in ihrem Alter sind ja nicht mehr so gut zu Fuß."
Hauptkommissar Schmidt stand stumm da. Seine Gedanken waren bei seiner Geliebten. Wenn er jetzt mitspielen würde, würde sie unbehelligt davonkommen, könnte in Ruhe weiterleben und ihre Pension genießen.
"So, bringen wir es zu Ende, Herr Hauptkommissar. Wenn Sie die Güte hätten, zur Mitte des rechten Fahrstreifens zu gehen und sich hinzuknien?"
Hauptkommissar Schmidt tat wie ihm befohlen.
"Haben sie noch irgendwelche letzten Worte?"
"Joh hab ick."
"Die da wären?"
"Deine Mudda arbeitet im Fischladen. Als Jeruch."
Edgar schoss ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, in den Kopf.

Easy beobachte, wie einer der Männer sich auf der Straße hinkniete. Sie sah auch, dass sie sich unterhielten, konnte aber nicht verstehen worüber.
"Übrijens du kannst mit der Kamera ooch zoomen, und dit Ding hat nen Richtmikro." mischt Thul sich ein.
"Wie bitte?", fragte Easy.
"Na ditte", sagte Kette und drücke ein paar Knöpfe und bewegte einen Hebel.
Die Kamera zommte auf den knienden Mann: "Deine Mudda arbeite im Fischladen. Als Jeruch." Ein Schuss folgte. In der Kamera erkannt sie den Mann, der tot auf der Straße lag.
"Das … das ist mein Patenonkel Alfred."
Sie rutschte zurück auf ihren Platz, schnappte sich blitzschnell die Maschinenpistole, mit der Thul sie noch vor kurzem bedroht hatte, öffnete die Luke und kletterte raus. Sie eröffnete sofort das Feuer und schoss das Magazin leer. Sie hatte den Mann getroffen. Er lebte noch, jedoch hatte er seine Waffe fallengelassen.
Thul reicht ihr eine weitere Pistole hoch: "Bei dein' Schießkünsten sollteste näha ranjehen."
"Schnauze!", ranzte sie ihn an.
Easy steig aus, um dem Mörder ihres Patenonkels den Rest zu geben. Als sie sich ihm näherte, erkannte sie ihn. Es war Edgar. Er griff mit seiner verbliebenen gesunden Hand in den Mantel.
Im Panzer hatte Kette Edgar mit der Front-Gatling-Gun und der rechten Seiten-Gatling-Gun im Visier. Bereit, bei der kleinsten falschen Bewegung den Typen in Hackfleisch zu verwandeln. Der Typ zuckte kurz, dann zuckte er noch einmal, aber das zweite mal anders.
Easy sah, wie Edgar etwas aus seiner Tasche ziehen wollte und schoss ihm in den anderen Arm. Das Magazin ihrer Maschinenpistole war nun leer. Edgar stand mit zwei schwerverwundeten Armen vor ihr. Auf dem Boden vor Easy lagen die zwei herunter gefallen Pistolen. Sie nahm sie beide. Die Schalter und ihre Beschriftung ähnelten der von Thuls Waffe.
"Hallo Liebling. Wie geht's dir?", fragte er sie mit künstlicher Fröhlichkeit.
"Du hast mich mit diesem hirnlosen Flittchen betrogen. Du hast mich verraten, nur um dich bei meinem Vater einzuschleimen. Und du hast meinen Patenonkel getötet, der letztlich mehr Vater für mich war als mein leiblicher."
Sie schaltete auf Vollautomatik und richtete beide Pistolen auf Edgar: "Nenne mir einen Grund, warum ich dich verschonen sollte."
"Weil es unmenschlich ist?"
"Du tötest auf Befehl und forderst für dich Menschlichkeit?"
"Weil es ungesetzlich ist?"
"Du hast Unschuldige ins Gefängnis gebracht, wichtige Zeugen getötet und deckst einen Mörder und redest von Gesetzestreue?"
"Weil ich dich lie …"
Der Rest von Edgars Antwort ging im Lärm der Schüsse, die seinen Körper durchsiebten, unter. Als die Magazine leer waren, griff Easy sich ihre fallengelassene Maschinenpistole und ging zurück zum Panzer. Kurz bevor sie wieder einstieg, reichte sie Thul die Polizeipistolen durch die Luke.
"Hier als Beratungsmuster."
"Fett", war Thuls Antwort.
Als sie wieder an ihrem Platz war, fragte Kette sie über Funk: "Allet ok?"
"Ja. An der nächsten Ampel müssen wir rechts und dann immer der Straße folgen."
"Iss wirklich allet ok bei dir?", fragte Kette erneut.
Easy schwieg.
"Ihr habt die Frau jehört. Nächste Ampel rechts. Uff se mit Gebrüll", sagte Sam und fuhr los.
Während sie die Cottbusser Allee herunter fuhren, stellten sich ihnen immer wieder kleinere Barrikaden aus Schutztruppen-LKW in den Weg, die Sam jedes Mal mit dem Räumschild es Panzers beiseite fegte. Kurz vor dem Ende der Cottbusser Allee kamen die Türme des Frankfurter Tors in Sicht.
"Easy, haste Lust uff nen bisschen spontane Jebäuderekonfiguration?"
"Was habe ich mir darunter vorzustellen?"
"Naja, da vorne sind zwee Türmchen, wir haben hier in unserem Türmchen vorne nen 76,2mm-Kanone und hinten nen schnuckeligen 80mm Granatwerfer. Wenn wa also den Turm um 90 Grad zu da Fahrtrichtung drehn, dann könn wa beede Türme uff eenmal platt machen. Wenn dit Schach wär, wär dit ne janz große Nummer."
Nach einer kurzen Pause: "Machste mit?"
"Einverstanden, weil du es bist."
"Ick fühle mir jeehrt."
Während sie näher kamen stellte Thul den Turm und sein Geschütz ein: "Wenn ick 'Jezze' rufe, dann schiesste, ok?"
"Habe ich eine Wahl, wenn es klappen soll?"
"Nee, nich wirklich. Also streng dir an."
Als sie kurz vor dem Frankfurter Tor waren, sagte Thul: "Achtung, fertich machen."
Kurz darauf passierten die die Türme: "Jezze!"
Beide schossen und beide trafen. Doch nichts schien zu passieren. Thul machte ein enttäuschtes langes Gesicht. Easy guckte im Monitor der Heckkamera. Als sie den Platz wieder verließen, sah sie, wie sich die Türme langsam neigten, umstürzten und die Straße unter ihrem Schutt begruben.