Eine Typologie: Die schwarze Szene
10.10.2014 - 15:14 von RedaktionWenn man heutzutage von "Gothics" spricht, meint man damit theoretisch die Grufties der 80er Jahre. Allerdings nur theoretisch, denn die heutigen Gothics haben mit den ursprünglichen Grufties nicht mal mehr den Namen gemein. Betrachtet man die aktuelle "schwarze Szene" etwas genauer, lassen sich eine Reihe von Typen feststellen, die sich im Laufe der Jahre den Grufties angegliedert haben. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Eigenschaften, die die Unterscheidung ermöglichen, nämlich Musik und Kleidung. Das Verhalten spielt in der Regel eine eher untergeordnete Rolle.
Schicki-Micki-Grufties
Das gruftige Leben eines Schicki-Micki-Grufties besteht zu etwa 100٪ aus der Auswahl der richtigen Kleidung. Stoffmärkte werden besucht, Schneider aufgesucht, selbst genäht, Modemagazine studiert, viel Geld ausgegeben. Ziel ist es, die biedere Optik des viktorianischen Zeitalters möglichst präzise zu imitieren. Dazu gehört selbstverständlich das gespreizte Verhalten der damaligen Zeit. Das Größte ist, wenn von irgendwem ein Foto gemacht wird. Der Schicki-Micki-Gruftie hört keine Musik.
Emos
Die (altersmäßig und historisch betrachtet) jüngste Fraktion der Gruftie-Welt besteht aus den Emos. Jugendliche von 13 bis 17 gefallen sich darin, eine bunte Mischung aus Punk-, Gruftie- und Grunge-Mode zu tragen. Extrem wichtig ist es für sie, die Haare möglichst so ins Gesicht hängen zu lassen, damit vom Gesicht nichts mehr zu sehen ist. Die Mädchen sind immer dick, die Jungs magersüchtig. Musikalisch orientiert man sich an "Screamo", so eine Art Hardcore-Punk mit Pop-Elementen. Wer über 18 ist, fliegt raus.
Cos-Player
Wer wie eine Comicfigur aussehen möchte, ist bei den Cos-Playern genau richtig. Japanische Manga-Helden werden verblüffend gut nachgebildet, Besonders bei bei den Haaren ist erstaunlich, wie gut das gelingt. Ein Cos-Player verbringt den grßten Zeit mit der Gestaltung seines Outfits. Er trinkt nicht, raucht nicht und macht auch sonst nicht wirklich viel. Gehört werden ausschließlich Titelsongs von Manga-Serien.
Mittelalter-Freaks
Wäre das Mittelalter so, wie es sich die Mittelalter-Freaks vorstellen, wäre das die geilste Epoche aller Zeiten gewesen. War aber nicht so. Dennoch ist es bewundernswert, wie liebevoll sich der Mittelalter-Freak um die Anfertigung seiner Kleidung kümmert und die unsägliche Dudelsackmusik erträgt, die obligatorisch auf jedem Fest gespielt wird. Getrunken wird ausschließlich Met, gegessen Fast-Food. Das hat allerdings phantasievolle Namen.
EBM-Prolls
Schon in den 80er-Jahren existent, sind die EBM-Prolls ein Relikt aus lange vergangen Zeiten. Wichtig ist ein gestählter Körper, der in Muckibuden in Form gebracht wird. Darüber ein hautenges Shirt und eine schwarze Cargo-Hose. Gehört wird nur EBM, der Vorläufer des Techno. EBM-Prolls essen nur Eiweiß-Riegel und sind ausschließlich männlich.
Cyber-Gofffics
Erfreulicherweise auf dem absteigenden Ast, sind Cyber-Gofffics, gerne mal auch "Schläuche" genannt, ein Überbleibsel der Berliner Love-Parade. Für den Cyber ist immer Karneval und Weltuntergang gleichzeitig. Zu seiner eigenen Sicherheit trägt er einen Mundschutz, eine Schweißerbrille und Plüschstulpen. Um für alle Eventualitäten gefeit zu sein, flechtet er Baumarktschläuche im Haar. Getanzt wird zu technoider Musik nach genau festgelegten Regeln. Wer gerade traurig ist und wieder fröhlich werden möchte, sollte sich die Schulungsvideos auf Youtube anschauen.
Normalos
Unter die Grufties mischen sich bei den Festen gerne im richtigen Leben ganz unauffällige Leute, die die entspannte Atmosphäre zu schätzen gelernt haben. Um nicht aufzufallen, wird bei den Männern die blaue Jeans gegen eine schwarze getauscht und ein schwarzes Shirt angezogen. Die Frauen ziehen sich ein Top, einen kurzen Rock und eine Netzstrumpfhose an. So lange die Musik nicht zu wild ist, wird verrückt zur ihr gewippt.
Metaller
Der Metaller hört nur Heavy-Metal. Der progressivere auch ein wenig Hard-Rock. Neben Bandshirt, schwarzer Hose und Stiefeln komplettiert die Kutte, benäht mit Aufnähern von beliebigen Metalbands, das Outfit. Nicht-Metaller kann er nicht leiden. Trotzdem geht er auf Gruftie-Feste, trinkt Bier und guckt die hübschen Frauen an.
SM-Typen
Die versauteste Gattung der "schwarzen Szene" sind die SM-Typen. Inspiriert von Christopher-Street-Day und der Love-Parade tragen sie ihre Outfits aus Gummi, Leder und auch mal aus Nichts nicht mehr nur im Schlafzimmer sondern in der Öffentlichkeit. Musik ist Nebensache, entscheidend sind Sado und Maso. Gegessen wird Kaviar, getrunken Sekt.
Assi-Grufties
Der Assi-Gruftie ist immer schwarz gekleidet und stinkt zumeist. Er nimmt Drogen, trinkt gerne, pöbelt und ist der geselligste Angehörige der "Schwarzen Szene". Die Stilrichtung der Musik ist egal, solange sie gut ist. Aus nicht näher bekannten Gründen mögen alle anderen Gruppen die Assi-Grufties nicht.
Steam-Punks
Der Steam-Punk legt wie der Schicki-Micki-Gruftie einen gesteigerten Wert auf sein Äußeres. Ziel ist, die phantastische Welt von Jules Verne möglichst detailgetreu nachzubilden. Computerteile, Schrauben, Zahnräder und Rohre werden so mit Kleidung verbunden, dass der Steam-Punk wie ein altmodischer Roboter aussieht. Was sie an Musik hören, ist unbekannt.
New-Romantics
Der New-Romantic, auch Schwarz-Romantiker genannt, ist das letzte Überbleibsel des ursprünglichen Grufties. Die Punk-Allüren hat er sich aber abgewöhnt, interessiert eh keinen mehr. Melancholisch hört er seine Musik, die natürlich schon um die 30 Jahre alt sein muss oder zumindest so klingen muss. Insgesamt gibt es noch etwa ein Dutzend von ihnen.
Bat-Caver
Die elitärste Fraktion der Szene sind die Bat-Caver, sie sind diejenigen, die den Ursprung der Szene Anfang der 80er-Jahre in Ehren halten. Laut ihnen ist das ein Club in London, der "Bat-Cave" oder so ähnlich hieß. Niemand außer ihnen ist authentisch. Wichtig für sie sind der penibel gestylte Irokese und afrikanische Tiermuster auf der Kleidung.
New-Waver
Schon kurz nach Beginn der Gruftie-Ära spalteten sich die New-Waver von den Grufties ab und pflegten eine freundschaftliche Distanz zu ihnen. Essentiell für die richtige Optik sind zu Vogelnestern hochtoupierte Haare, Pluderhosen und Pikes (= spitze Schuhe). Gehört wird ausschließlich minimaler Synthie-Pop. Leider sind sie ausgestorben.
Kommentare
Grabräuber am 04.12.2014 - 10:35 UhrJa, das waren noch Zeiten, damals im Kir und im Stairway und den anderen Szeneläden der Schanze, lang ist's her...
Kenne die neueren Auswüchse der Szene nicht, damals gab's "echte" Fulltime-Gruftis und "Mitläufer", die sich nur am Wochenende aufgestyled haben, wochentags aber bieder waren und sonst auch eher in Prolldissen rumhingen. Auf jeden Fall lustiger Artikel über das, was aus dieser Szene jetzt geworden ist.
päbel am 26.10.2014 - 13:15 Uhr
gut geschrieben find ich goil!