Manifest: Neuer Hamburg Film
01.01.2012 - 12:45 von RedaktionWarum machen wir Filme? Ganz einfach: Weil wir müssen! Das Leben kann nicht darin bestehen, tagein, tagaus immer nur die Produkte aus Hollywood und der Fernsehstudios zu konsumieren, damit unzufrieden zu sein und rumzujammern. Vielmehr geht es darum, selbst etwas zu tun.
Die demokratische Kultur und der kulturelle Diskurs leben geradezu davon, dass man sich mit den Themen der Zeit differenziert auseinander setzt. Dabei geht es gerade nicht darum, mit dem ausgestreckten Zeigefinger Zeitkritik zu üben. Vielmehr sollte mit subtilen Metaphern - die nicht nur eitler Sebstzweck sind - auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam gemacht werden. Der Spaß sollte dabei allerdings nicht zu kurz kommen.
Wer gegen Krieg, Gewalt und Vereinzelung eintritt sollte im Film, wie auch im richtigen Leben, für eine Kultur des menschlichen Miteinanders eintreten. Dann gelingt es auch, die Distanz von Film und Leben verschwinden zu lassen. Lebendigkeit in jedweder Form ist ein wesentliches Ziel unserer Filme.
Filme sollen von jedem für jeden gemacht werden. Dadurch bedarf es auch keiner Elite, die definiert, was Film darf und was nicht. Film darf nämlich alles. Hebt man diese Grenze auf, wird ein gesellschaftlicher Diskurs möglich, der die Kraft hat, Dinge auch zu verändern.
Sterile und von der Realität losgelöste Bilder, wie sie zwangsläufig bei verwertungsorientierten Produktionen entstehen müssen, haben diese Kraft nicht. Wie kann man die Dualität des Menschen aufzeigen, wenn man nur darauf schielt, wie man am besten für Coca Cola oder die neue Maggi-Tütensuppe werben kann?
Die Kamera hat die Aufgabe, im Film mitzuleben. Verwackelte Bilder, schräge Perspektiven, unwerwartete Schnitte und Szenenabbrüche ziehen den Zuschauer in die Handlung hinein, machen ihn zum Teil der Handlung. Das Leben ist schließlich kein Hochglanzfilm, in dem man schon vorher weiß, was passiert.
Unkonventionelle Dreh- und Schnitttechniken und Liebe zum Detail sind Kennzeichen eines Films, der nicht Massenware sondern Ausdruck von Individualität und Eigenständigkeit ist. Wir grenzen uns deutlich ab von "moderner Filmkunst", wir haben uns vorgenommen, zum klassischen Filmhandwerk zurückzukehren. Ausdruck und Botschaft gehören zusammen, bei uns wachsen sie zusammen.
Wir wollen keinen Glamour. Wir wollen auch keine "Kunst" machen, die keiner versteht und reiner Selbstzweck ist. Dafür sind wir nicht da. Es geht darum, in einer Gruppe, in der der Spaß nicht zu kurz kommt, gemeinsam Filme zu machen. Und genau das ist es: Filme machen.
Darum haben wir zehn Regeln aufgestellt, die den Neuen Hamburg Film ausmachen:
1. Drehbuch und Regie dürfen nicht getrennt werden.
2. Jeder Film entsteht als Prozess. Dadurch unterliegt er Veränderungen, denen während der Dreharbeiten Rechnung getragen werden muss.
3. Nur Verfilmung von Geschichten, die dem Regisseur und Drehbuchautoren aus seinem Hintergrund bekannt sind, Darstellung vertrauter Gefühle und Situationen. Keine konstruierten und realitätsfremden Sachen.
4. Jeder Darsteller muss seiner Rolle ähnlich ein. Ein depressiver Darsteller darf kein lebensfrohes Naturell verkörpern. Der Geisteszustand der Rolle sollte sich im Darsteller wiederfinden. Z. B. ist eine betrunkene Figur von einem zumindest angetrunkenen Darsteller zu spielen.
5. Der gesprochene Text des Drehbuchs muss durch die Schauspieler veränderbar sein, ansonsten geht deren Kreativität verloren.
6. Kulissen werden nicht verwendet, es wird ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht. Bluescreen-Technik ist für anders nicht umzusetzende Darstellungen erlaubt.
7. Jeder Film soll mit minimalen Mitteln umgesetzt werden. Minimalismus ist eine Chance.
8. Jeder Film ist immer eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Die erzählte Geschichte ist der Primat, der Film das Mittel.
9. Die Kamera muss leben, soll wie eine eigene Person sich bewegen.
10. Unterhält ein Film ohne sich anzubiedern, ist er gut. Ein Film ohne Publikum ist kein Film.
Hamburg, 01.01.2012