Kino ohne Talent
roman

Das Grauen der Tiefe: Kapitel V

09.09.2010 - 12:42 von Redaktion

Thul war ein Metallfreak, ein Bastler, ein irrer Hilfsschlosser. Wenn er ein Stück Stahl zwischen seine stets verbrannten Fingerkuppen bekam, wurde früher oder später etwas Gefährliches daraus. Er bastelte für sein Leben gern. Oft waren es Einzelstücke, selten einfach zu handhaben, meistens schwer und in 100% aller Fälle tödlich, manchmal auch für den Anwender. "Brauchst du eine außergewöhnlich tödliche Waffe, dann geh zu Thul", war eins der geflügelten Worte in Alt-Fhain. Thul hatte sich in einer uralten Halle des Reichsbahnausbesserungswerkes eingenistet.
Als Kette sein Ziel erreichte, sah er aus der Entfernung, wie Thul gerade einen Trupp der Schwarzen Wölfe mit seiner - natürlich selbst gebauten - Gatling-Gun zersägte, während sie zum wahrscheinlich tausendsten Mal versuchten, die Werkstatt im Sturmangriff zu nehmen. Eine Kugel musste Thul doch erwischt haben, denn auf einmal riss sein Sperrfeuer ab. Der einzige überlebende Wolf stürmte vollkommen euphorisiert nach vorn. Er dachte, Thul sei endlich erledigt. Doch plötzlich erwischte er eine Tretmine, die ihn gleichmäßig in der Landschaft verteilte. Die Dinger waren auch aus dem Hause Thul. "Jetzt mit der 5-fachen Sprengkraft normaler Minen", pries Thul sie immer an.
Als Kette die Werkstatt betrat, sah er, wie Thul gerade an der Esse herum werkelte. "Ah, Kette, zaubahaft dit du jerade kommst, ick hab nen paar Uffjaben für dir. Wenn de so nett wärst, mir aus dem Regal mal Suffies Selbstgebrannten rübazubringen", sagte Thul, ohne Kette anzugucken.
Als Kette den Selbstgebrannten brachte, fummelte Thul gerade eine Zange aus seinem Gürtel: "Also Kette, jezze wo ick allet vorbereitet hab wird foljendit passieren: Ick werd' mir diese Flasche Schnaps einflößen, damit ich so hackedicht werde, dit ick nix mehr spüre. Danach hast du foljende Optionen: Erstens, du holst mir mit da Zange dort drüb'n die Kugel aus da Schulta und schließt dann die Wunde mit'm jlühenden Stahl aus da Esse und ick übalebe den Scheiß. Die zweete Option iss wie die erste, nur dit ick dabei druff jehe. Die Dritte iss, dit du nem Rotzbesoffenen zukiekst wia vablutet."
"Wozu hältst'n mir dies'n ellenlangen Vortrach?", fragte Kette.
"Damit du hintaher nich behaupten karghhhhhhhhhhhhhh …"
Der Rest des Satzes ging in einen markerschütternden Schrei über, den man bis Kreuzberg gehört haben musste. Nachdem Kette die Kugel herausgezerrt hatte, verschloss er die Wunde mit dem glühenden Stahl. Nachdem er sie zur Sicherheit noch mal mit dem Schnaps desinfiziert hatte, sah er noch eine schnelle Bewegung im Augenwinkel, dann gingen bei ihm zum zweiten Mal an diesem Tag die Lichter aus.